2009-09-30 01:02 Die Werkreihe Bayreuth erklärt sich aus einer konzeptionellen Komplexität heraus, deren Schlüssigkeit untrennbar mit der persönlichen Entwicklung Joachim Witts verbunden ist. 1998 entsteigt er wie Phönix der Asche und lüftet mit der opulenten Ouvertüre "Das geht tief" den Vorhang für sein Lebenswerk. Mit schweren Gitarren und sprichwörtlichem wagnerianischem Gewicht hält Witt der Gesellschaft den Spiegel vor. Die Kritik am Verleugnen der kulturellen Wurzeln - übersetzt mit der urbanen Sehnsucht nach Romantik - zieht sich wie ein roter Faden durch das Album. Und prompt erhitzen sich die Gemüter, werfen Witt gar Deutschtümelei vor. Heute sieht er die Anklagen gelassen:
"Kein anderes Land ist so von angeloamerikanismen überschwemmt wie Deutschland. Ich bemühe mich seit Jahren, meinen Beitrag für ein gesundes, ausbalanciertes Selbstverständnis zu leisten, um den Weg in die kulturelle Selbstverleugnung zu verhindern. Auch auf die Gefahr hin, dass ich des öfteren missverstanden werde."
Doch kommerziell ist die Sache eindeutig. Die zweite Single:" Die Flut" mit Peter Heppner, dem damals ersten Duett des Wolfsheim-Sängers, klettert bis auf Platz 2 der deutschen Charts. Die bildreichen Verse positionieren Joachim Witt schlagartig als neue Ikone der gerade im Wiederaufbau befindlichen deutschen Underground-Szene. Doch Witt weckt mit seinem Vokabular auch die tiefe Sehnsucht emotionaler Grossstädter nach längst vergessen geglaubten Idealen.